Soziale Isolation unter Geflüchteten in Deutschland – Zahlen, Fakten, Hintergründe Soziale Isolation und Einsamkeit sind nicht nur persönliche Schicksale, sondern gesellschaftliche Herausforderungen – besonders, wenn es um Geflüchtete geht. Ein aktueller Forschungsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigt, wie verbreitet Isolation unter Geflüchteten in Deutschland ist, welche Faktoren dazu beitragen und warum dieses Thema uns alle angeht. Was bedeutet soziale Isolation? Unter sozialer Isolation versteht man einen deutlichen Mangel an sozialen Beziehungen und Kontakten. Es geht um das objektive Fehlen von Bindungen – etwa wenn keine engen Bezugspersonen vorhanden sind oder der Kontakt zu anderen Menschen nur selten stattfindet. Einsamkeit ist davon zu unterscheiden: Sie beschreibt das subjektive Gefühl, nicht eingebunden zu sein – selbst dann, wenn objektiv Kontakte vorhanden sind. Warum ist das Thema so wichtig? Fehlende soziale Einbindung hat nachweislich negative Folgen: Psychische Belastungen wie Depressionen und Angstzustände Körperliche Auswirkungen wie Bluthochdruck, geschwächtes Immunsystem oder Schlafstörungen Weniger Chancen auf Integration: Wer keine Kontakte außerhalb der Familie hat, lernt langsamer Deutsch, findet schwerer Arbeit oder eine Wohnung Höheres Risiko für Ausgrenzung und Radikalisierung Für Geflüchtete sind Beziehungen besonders wichtig, um: den Alltag in einer neuen Kultur zu meistern, Zugang zu Informationen und Unterstützung zu erhalten, berufliche und soziale Chancen zu nutzen. Die Datenlage: So wurde untersucht Die Ergebnisse basieren auf der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten (2016–2022) und weiteren Vergleichsdaten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) und der IAB-SOEP-Migrationsstichprobe. Befragt wurden mehrere tausend Geflüchtete in Deutschland, darunter Frauen und Männer verschiedener Altersgruppen. Dadurch lassen sich Entwicklungen über mehrere Jahre hinweg verfolgen und mit anderen Bevölkerungsgruppen vergleichen. Zentrale Ergebnisse im Überblick Mehr Beziehungsarmut als in anderen Gruppen: 14,2 % der Geflüchteten haben keine enge Bezugsperson – bei Personen ohne Migrationshintergrund sind es nur 10,3 %. Frauen vs. Männer: Geflüchtete Männer haben häufiger überhaupt keine engen Beziehungen. Geflüchtete Frauen haben zwar öfter enge Bindungen, diese beschränken sich jedoch oft ausschließlich auf die Familie. Kontakt zu Deutschen fehlt oft: Zwischen 36 % und 63 % der geflüchteten Frauen und 16 % bis 49 % der Männer haben in den ersten sechs Jahren nach Ankunft selten oder nie Kontakt zu Deutschen. Risikofaktoren für Isolation: Leben in Gemeinschaftsunterkünften, geringe Deutschkenntnisse, niedriges Bildungsniveau, Diskriminierungserfahrungen, höheres Alter. Corona-Pandemie als Verstärker: Während der COVID-19-Pandemie sind Kontakte zu Deutschen noch seltener geworden. Einsamkeit häufiger als in der Gesamtbevölkerung: 2021 fühlte sich rund ein Fünftel der Geflüchteten oft oder sehr oft sozial einsam – bei Menschen ohne Migrationshintergrund lag der Wert bei nur 6 %. Warum uns das alle betrifft Soziale Isolation ist nicht nur ein individuelles Problem. Sie hat direkte Auswirkungen auf Integration, gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Chancengleichheit in Deutschland. Je besser es gelingt, Geflüchtete in soziale Netzwerke einzubinden, desto erfolgreicher verlaufen Integrationsprozesse – und desto mehr profitieren alle Beteiligten. Ausblick Der Bericht zeigt klar: Sprache, Arbeit und Begegnungen sind Schlüssel gegen Isolation. Politik, Kommunen und Zivilgesellschaft können gemeinsam Strukturen schaffen, die Begegnung und Teilhabe erleichtern – vom Sprachkurs bis zum Sportverein. Denn Integration ist kein einseitiger Prozess, sondern entsteht durch gegenseitige Offenheit und den Willen zur Begegnung.